Typisch deutsch: Stulle schmieren

von | 13.03.2021 | Allgemein, Tischkultur, Typisch deutsch

Immer und überall, wo Brot auf dem Tisch steht und Deutsche Essen, ist es zu beobachten. Das „Stulle schmieren“. Nichts normaler als das, denken wir – denn: der Deutsche hat schließlich das Butterbrot erfunden.

Das Abendbrot, sprich die Scheibe Brot zum Abendessen, ist in vielen deutschen Familien über Generationen ein vollwertiges Mahl gewesen. Das gilt bis heute.

Es ist auch nichts dabei, eine Scheibe Brot mit Butter oder einem anderen Dipp zu bestreichen und dieses Brot noch mit Käse, Wurst oder ähnlichem zu belegen und genüsslich zu verspeisen. Vornehmlich per Hand oder ganz Vornehm mit Messer und Gabel.

Erst im Kontext interkultureller Unterschiede wird diese Handhabung sichtbarer. Dann nämlich, in einem interkulturellen Kreis, ist der Deutsche auszumachen. Je südlicher wir kommen, ich denke dabei auch an etwas konservativere Gesellschaften wie zum Beispiel die römisch-katholischen Regionen im mediterranen Raum, hat Brot bei Tisch noch eine weitere Bedeutung.

Mal davon abgesehen, dass in vielen südländischen Küchen das Brot stets als Beilage angesehen wird, und in dieser Funktion von Beginn bis zum Ende auf dem Tisch steht, nimmt das Brot z. B. im römisch-katholischen auch die Symbolik für den Leib Jesus Christus ein.

Der Leib Jesus Christus wird nicht mit einem Messer malträtiert, nicht beschmiert und davon abgebissen wird auch nicht und ein belegen mit entsprechenden Lebensmitteln wie eine Scheibe Wurst ist ebenfalls undenkbar.

So beobachten wir, dass je nach Sozialisation in diesem Kreisen das Brot gebrochen wird. Stets mit den Händen und in kleine Stückchen, die mit einem Happen im Mund verschwinden können. Wer dabei noch einen Dipp oder ähnliches wünscht, trägt etwas davon auf, bevor der Happen im Mund verschwindet.

Dabei wird auch ordentlich gekrümelt. Aus dem schwäbisch-alemannischen kenne ich den Begriff der „Brotsamen“, also das hier die Brotkrümel auch eine Symbolik einnehmen, die christlichen Glauben nämlich für Leben stehen.

Übrigens: Brotsamen dürfen in diesen Ländern gerne und überall herumliegen. Niemand stört sich daran – nur vielleicht einer? In manch Trattoria kann beobachtet werden, dass feinsäuberlich zusammengeschoben ein Brot-Krümel-Häufchen neben dem Teller liegt. Wer hat dann hier wohl gesessen?

Meine Botschaft für heute lautet:
Wo bin ich, wer sitzt mir am Tisch gegenüber, und was werde ich mit meinem Verhalten erreichen? Wo Deutsche unter Deutschen sind wird Stulle geschmiert. Das ist nicht nur köstlich, sondern auch wunderbar! Im internationalen Kontext rate ich zunächst erst einmal Augen auf: wie machen es die anderen?


Michael Kugel

Michael Kugel hatte zunächst eine gastronomisch geprägte Laufbahn bevor er Weinexperte wurde. Stets den “Guten Geschmack” im Gepäck verschlug es ihn weltweit in die unterschiedlichsten Regionen, wo jede seiner Aufgaben eng mit der stilvollen Seite des Essens und Trinkens verbunden war. Der freiberufliche Knigge-Berater ist Kenner der Dienstleistungsbranche und stellt ein einmaliger Mix an Wissen und Erfahrung auch in seinen Trainings zur Verfügung. 

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