Geben ist seliger als Nehmen – Spenden mit „Knigge“

von | 10.12.2022 | Weihnachten, Geschenke, Umgangsformen, Allgemein, Gesellschaft

Rezession, Inflation, Energiekrise – das hatten wir nicht im Kopf, als wir uns verabredet hatten einen Blog-Beitrag zu verfassen, der sich mit Knigge und Spenden befasst. Wir dachten lediglich, dieses Thema passe gut zum Dezember, dem Monat des Schenkens, dem Spenden-Monat des Jahres, in dem auch die Kollekten der Kirchen für deren große Wohltätigkeitsorganisationen Adveniat und Brot für die Welt gesammelt werden.

Foto: Shutterstock

 

Wie gut es tut zu spenden, illustriert nicht zuletzt die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Ebenezer Scrooge, der seinen Mitmenschen kaltherzig und unbarmherzig begegnet und erst durch den nächtlichen Besuch der Geister der vergangen, gegenwärtigen und künftigen Weihnacht versteht, dass ein Menschenleben, das dem Geldanhäufen gewidmet ist, einsam und in Ketten der Schuld endet. Kurz bevor er von diesen Ketten ins Grab gezogen wird, fleht er um Gnade und gelobt Besserung – nicht um seinetwillen, sondern weil er das Leben des kleinen kranken Tim retten kann und möchte. Diese Gnade wird ihm gewährt: Er bekommt die Chance, seinen Umgang mit den Menschen zu verändern und sein Vermögen zum Wohl aller einzusetzen und so ein glücklicherer Mann zu sein.

 

Ein Beispiel der heutigen Zeit

Mit Beginn des Ukraine-Krieges wurden viele Spenden für die Bevölkerung dort gesammelt. Die bekannte Radiosendung von Werner Reinke „Reinke am Samstag“ im Hessischen Rundfunk stellte bei Beginn des Krieges die dreistündige Sendung auf Hörer:innen-Wünsche um.

Jede:r Spender:in durfte sich einen Musiktitel wünschen. Zunächst war das Spendenziel auf 20.000 Euro angelegt, doch diese Aktion war so erfolgreich, dass mehr als eine Million Euro Spenden für „Deutschland hilft“ zusammenkamen und bis weit in den Dezember hinein noch Wunschtitel gespielt wurden.

 

Spenden tut gut, dem, der empfängt und auch dem, der gibt.

Wie lässt sich das erklären? Man gibt und bekommt ein wenig zurück; ein Lächeln, eine Anerkennung, einen Musiktitel im Radio, vielleicht auch die namentliche Erwähnung.

Diese Aktion hat mehr als deutlich gemacht, dass Geben guttut und gute Laune macht, unabhängig davon, wie hoch der gegebene Betrag ist. Das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit wird in einer Gemeinschaft ein wenig leichter aushaltbar.

 

Spenden – wieviel?

Freiherr Knigge schreibt dazu:

Nimm´ Dich des Armen an, wenn Dir Gott die Mittel in die Hände gegeben hat, seine Not zu erleichtern. Weise nicht… zurück, solange Du noch ohne Ungerechtigkeit gegen die Deinen eine kleine Gabe zu geben hast.

Es gibt vielfältige Arten und Weisen zu spenden: Einmalig und spontan in der Fußgängerzone etwas geben, regelmäßig und verlässlich das lokale Kulturangebot oder das Hospiz in der nächstgelegenen Stadt unterstützen, Mitgliedschaften in gemeinnützig anerkannten Organisationen – all das sind Spenden.

Viele gemeinnützige Organisationen sind auf Spendengelder angewiesen, wie bspw. Frühstücksverpflegung für Schulkinder, Tafeln, etc. Hospize haben explizit in ihren Satzungen formuliert, dass sie neben dem Engagement der Ehrenamtlichen immer auch einen Teil ihrer Finanzierung durch Spenden sicherstellen wollen. Damit machen sie sich unabhängiger von staatlichen / konfessionellen Fördergeldern und zeigen damit, dass sie ohne eine breite Unterstützung nicht wirken können.

Deshalb dürfen wir alle auch dieses Jahr gut im Herzen bewegen, wieviel wir zu geben bereit sind. Jede:r sollte das geben, was er geben mag. Nicht die schiere Größe der Spende entscheidet, sondern die Relation, in der man etwas gibt – je mehr man hat, desto mehr ist möglich. In der Bibel und anderen Religionen gilt dafür als Richtschnur der „Zehnte“ – also zehn Prozent dessen, was man bekommt, soll man teilen. Das ist nicht immer und überall möglich, aber was immer zählt, ist die Einstellung, dass ich von dem, was ich bekomme, etwas abgebe an andere. Vom ICH zum WIR – und alle zählen.

 

Haltung beim Spenden

Freiherr Knigge schreibt dazu:

Sei es wenig oder viel, so gib´ es mit gutem Herzen und … gib es mit guter Manier. Kalkuliere nicht so genau, ob der Mensch, dem Du helfen kannst, selbst an seinem Unglücke schuld sei oder nicht.

Tue auf das erste Wort, was zu tun vernünftig und gut ist, und warte nicht darauf, dass man durch wiederholtes Betteln Dein Herz erweiche.

Es sind viele Begriffe im Umlauf, wie richtiges Spenden geht: Sinnvoll soll es sein, an zertifizierte Organisationen, sozial verantwortlich und nachhaltig. Es geht so weit, dass es volkswirtschaftliche Überlegungen zum sogenannten effektiven Altruismus gibt. Welchen Impact hat meine Spende? Und wie kann dieser gesteigert werden?

Die gute Manier nach Knigge ist ein Geben, das nicht nach der Effektivität fragt. Eine mit einem Zweck verbundene Spende scheint effektiv, doch sie enthebt den Empfänger ein Stück weit von der Verantwortlichkeit, gut mit der Spende umzugehen.

Geben jenseits des Effektivitäts-Gedankens, ja, näher dran an der mitfühlenden Barmherzigkeit, scheint uns im Sinne von Knigge.

Es geht um das Geben, das von der Herzensebene und nicht fürs Steuern-Sparen kommt.

Das gilt für eine finanzielle Unterstützung ebenso wie für eine freundliche Geste, ein Lächeln und ein gutes Wort. Manchmal kann ich gerade kein Geld geben, doch ein Lächeln gelingt mir vielleicht.

 

Wie geht „Spenden annehmen“ richtig?

Es gibt gemeinnützige Organisationen, die sehr gut mit ihren Spender:innen umgehen. Individuelle Dankesbriefe und Einladungen zu besonderen Veranstaltungen, die im Rahmen zur gegebenen Spende stehen, sind dafür gute Beispiele. Die meisten Spender benötigen auch keinen Rechenschaftsbericht, sondern freuen sich über Erzählungen von gelungener Arbeit und umgesetzten Projekten.

Sie möchten das Geld zielführend verwendet wissen und die Relation des Dankes sollte im Rahmen bleiben. Es ist ärgerlich, wenn eine einmalige Spende dazu führt, permanent Bittbriefe zu erhalten. Gerade im Dezember quillt der Briefkasten oft über. Diese Briefe verbrauchen Ressourcen auf allen Ebenen und sind auf ihre Art auch klimaschädlich. Es ist wünschenswert, wenn Organisationen sich andere Wege überlegen, um über ihre Arbeit und ihr Engagement zu informieren.

 

Spenden-Schenken – eine Idee fürs Geben

Gerade in diesem Jahr und unserer eigenen Wahrnehmung, den Gürtel enger schnallen zu müssen, ist es wichtiger denn je, den Blick nach außen nicht zu verschließen. Viele Menschen und Organisationen sind auf Spendengelder angewiesen, die Großen und die Kleinen, die um die Ecke und die Internationalen.

Trotz aller Energiekosten und steigender Preise ist es deshalb für uns als Gesellschaft und die Bedürftigen darin so immens wichtig, diese Mittel zu sichern. Eine gute Möglichkeit dafür ist „Spenden-Schenken“: Gerade bei Menschen, für die uns beim besten Willen kein Geschenk mehr einfallen will, weil sie schon alles besitzen, ist es eine gute Möglichkeit, in deren Namen etwas „Gutes zu tun“ und den Beitrag für das Geschenk im Sinne des Beschenkten zu spenden. Das schafft eine echte Win-Win-Win-Situation: Für den Beschenkten, die Schenkenden und diejenigen, die die Spende erhalten. Und darüber hinaus gibt es Gesprächsthemen – über Patenschaften von Kindern und Ziegen und über den Fortschritt an der neuen Skaterhalle im Nachbarort.

 

Spenden ist mehr als Geld-Geben – es ist Herzenssache

Spenden sind freiwillig, wir können niemanden dazu zwingen, auch uns selbst nicht – doch das, was unsere Gesellschaft zusammenhält und unser Miteinander lebenswert macht, das wird nicht nur mit volkswirtschaftlichen Regularien gelingen, sondern entsteht im Miteinander und Füreinander.

Lassen Sie uns heute und hier damit beginnen. Machen wir unsere Zeit und unser Miteinander wertvoll. Füreinander. Und für uns selbst.

Weil wir es können, wenn wir wollen.

 

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen wunderbaren Advent, eine gesegnete Weihnachtszeit und einen guten Start ins Neue Jahr

Marion Hulverscheidt & Evelyn Siller

& alle Mitglieder des Deutschen Knigge-Rats


Dr. med. Marion Hulverscheidt

Dr. med. Marion Hulverscheidt arbeitet als Medizinhistorikerin an der Universität Kassel und als Ärztin in einer Klinik vor Ort. Ferner wirkt sie als externes Mitglied im Klinischen Ethikkomittee des Klinikum Kassel.

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