Ist der Small Talk am Aussterben?

von | 06.05.2025 | Knigge, Kommunikation, Gesellschaft, Umgangsformen

Ich hoffe nicht. Und ich kann es mir auch überhaupt nicht vorstellen. Aber kürzlich titelte ein Artikel in unserer Tageszeitung mit der Frage „Stirbt der Small Talk in Deutschland aus?“. Sofort war mein Interesse geweckt. Das darf doch nicht wahr sein, denke ich mir. Wie kommt es dazu? Small Talk ist doch wertvoll für unsere gesamte Gesellschaft und auch förderlich für die Persönlichkeit und soziale Kompetenz eines jeden einzelnen.

Oberflächlichkeit und Zeitverschwendung?

Laut einer repräsentativen Yougov-Umfrage im Auftrag der Sprachlernplattform Babbel sind es besonders die Jüngeren, die Small Talk oberflächlich oder gar als Zeitverschwendung betrachten. Genauer gesagt handelt es sich bei diesen Jüngeren um die Generation Z, den zwischen 1995 und 2010 Geborenen. Menschen über 55 fühlen sich dagegen wohler dabei, mit anderen Menschen kleine Gespräche zu führen.

Warum stellen spontane Unterhaltungen im realen Leben eine Herausforderung für junge Menschen dar, wo doch so viele von ihnen online völlig sicher und souverän unterwegs sind? Irgendwie liegt die Antwort auf der Hand: Dem einen oder anderen fehlt wahrscheinlich der direkte persönliche Kontakt zu realen Menschen; Begegnungen, bei denen miteinander kommuniziert wird. Täglich sehe ich Jugendliche, junge Erwachsene und sogar Kinder, die z. B. an der Bushaltestelle nur Augen für ihre Smartphones haben. Interaktion mit echten Menschen um sie herum – Fehlanzeige.

Ja, Small Talk ist oberflächlich, unverbindlich und auch nicht so tiefgründig, wie der eine oder andere gerne reden möchte. Aber dazu ist er nun mal die kleine Form der Konversation. Diese würde ich niemals als Zeitverschwendung bezeichnen. Und aus einer seichten Unterhaltung kann sich zweifelsohne auch ein tiefgründiges Gespräch entwickeln.

 

Das Eis brechen – Sprung ins kalte Wasser

Es gibt täglich viele Möglichkeiten, Small Talk zu führen. Für mich ist es eine gute Gelegenheit, meinem Gegenüber Achtung und Respekt entgegenzubringen. Und es gehört zum Anstand und guten Benehmen einfach dazu, einen anderen Menschen, dem ich begegne, nicht einfach zu ignorieren. Falls ich es mache, komme ich leicht als arrogant rüber, obwohl das gar nicht stimmen muss.

Manchmal fehlt einem einfach der Mut oder eine Idee, eine Unterhaltung zu beginnen. In der Tat stellt der Gesprächseinstieg meist die größte Hürde dar und ist wie der Sprung ins kalte Wasser. Aber es ist gar nicht so schwer. Nehmen Sie einfach Blickkontakt auf und begrüßen Sie die andere Person mit einem passenden Gruß. Nun folgt der Eisbrecher. Sie können z. B. über den Ort sprechen, an dem Sie gerade sind, über ein Event, das kürzlich in dieser Gegend stattgefunden hat, Ihre Anreise zu der Veranstaltung, an der Sie teilnehmen, und schon ist das Eis gebrochen.

Natürlich können Sie Ihrem Gegenüber auch ein Kompliment machen. Das kommt immer gut an. Bitten Sie um Hilfe oder bieten Sie dem anderen Hilfe an. Sprechen Sie über eine Beobachtung, die Sie gerade machen oder kommentieren Sie eine Situation. Und Sie können sich selbstverständlich schlicht und einfach vorstellen und über Ihre Verbindung zum Gastgeber oder dem Thema des Seminar sprechen.

 

Gekonnt Sympathien gewinnen

Das lockere Gespräch des Small Talks bedeutet aber nicht, dass es keine Regeln gibt. Manche Themen sind völlig tabu, z. B. Krankheiten, Tod, Politik, Religion, Geld, Sex, Klatsch und Tratsch. Auch Schimpfwörter sind ausnahmslos deplatziert. Warum nicht über Positives und Unverfängliches reden, wie Urlaub, Garten, Reisen, Theater, Sport, Kino, Musik, Essen, Restaurants, Literatur, Hobbys, Technik, Autos?

Um Sympathien zu gewinnen, hab ich hier noch ein paar weitere Vorschläge: Hören Sie mehr zu, als dass Sie selbst reden. Führen Sie keinen Monolog, sondern einen Dialog. Halten Sie Blickkontakt. Stellen Sie offene Fragen. Finden Sie Gemeinsamkeiten. Zeigen Sie ehrliches Interesse und Empathie. Antworten Sie diplomatisch auf kritische Fragen. Geben Sie zu, wenn Sie etwas nicht wissen; da fällt Ihnen nämlich keine Zacke aus der Krone, im Gegenteil.

„Die Deutschen sind und bleiben Small-Talk-Muffel“, so eine Aussage im eingangs erwähnten Artikel. Damit sich diese Ansicht nicht bewahrheitet, schlage ich vor, dass wir Gelegenheiten nützen, Small Talk zu üben. Verlassen wir unsere Komfortzone und sprechen wir wieder öfter Menschen an beim Einkaufen, Spazierengehen, im Urlaub oder in der Bahn. Wir haben nichts zu verlieren sondern werden davon profitieren. Auf geht’s.


Glaudia Chesnut

Glaudia Chestnut hat an der Gutshof Akademie die Ausbildung zum Personal Image Coach (IHK), zur zertifizierten Knigge-Trainerin sowie Wohnberaterin abgeschlossen. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet sie das Hotel Inspiration im südostbayerischen Tittmoning. Nach ihrem Motto: manifest your best! unterstützt sie Menschen, ihre einzigartige Persönlichkeit zu entdecken und auf die bestmögliche Weise zum Strahlen zu bringen.

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