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Es gibt Zeiten, in denen das größte Geschenk, das wir uns selbst und anderen machen können, das Schweigen ist. Nicht das kalte, verletzende Schweigen der Missachtung – sondern das achtsame, bewusste Schweigen, das wie eine Zeitschaltuhr vor dem Öffnen des Geistes, des Mundes und des Schreibens wirkt. Eine kleine Verzögerung, ein Innehalten, bevor Worte unbedacht fließen und womöglich Herzen verletzen oder das eigene blockiert und besudelt.
In einer Welt, in der Kommunikation rund um die Uhr stattfindet, wo Reaktionen auf Knopfdruck erfolgen, ist Schweigen beinahe revolutionär. Es schützt das eigene Herz – weil nicht jedes Gefühl sofort ausgesprochen werden muss. Es schützt das Herz des anderen – weil Worte oft mehr zerstören als klären. Und es schützt uns selbst – denn nicht jede Meinung, die wir haben, ist schon reif genug, um geteilt zu werden.
Schweigen zeigt Reife
„Schweigen ist Gold“, heißt es. Doch dieses Gold glänzt nicht für jedermann sichtbar. Es liegt verborgen unter der Oberfläche – als Ausdruck von Reife, innerer Ruhe und Empathie. Wer schweigen kann, beweist Kontrolle, Tiefe und oft auch Liebe.
(Schweigen lädt zur Selbstwahrnehmung ein. Wer schweigt, hört genauer hin – nach außen wie nach innen. Wir spüren den eigenen Puls, erkennen, was uns wirklich bewegt. Oft ist das, was wir sagen wollen, nur eine Reaktion, keine Reflexion. Schweigen gibt Raum für letztere.)
Vier Filter verantwortungsvoller Gesprächskultur
Und damit kommen wir zum weisen Sokrates und seinen drei Filtern:
„Höre, Sokrates, das muss ich dir erzählen!“
„Halt!“, antwortete er, „hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Filter gesiebt? Den Filter der Wahrheit – ist es wahr? Den Filter der Güte – ist es gut? Den Filter der Notwendigkeit – ist es notwendig?“
Wie viel würde ungesagt bleiben, würden wir nur diese drei Fragen beherzigen! Wie viel ruhiger, wie viel heiler könnte die – auch die eigene – Welt sein.
Vielleicht ist es an der Zeit, eine neue Kultur zu pflegen: Die Kultur des Schweigens. Nicht als Flucht, sondern als Filter. Nicht als Verweigerung, sondern als Haltung. Eine Gabe, die uns wieder lehrt, was Worte wirklich bedeuten – und wann sie schweigen sollten.
Und wenn dann etwas gesagt oder geschrieben werden soll, dann füge jeder für sich noch den Gedanken hinzu: Wann und wie wäre es am hilfreichsten?
