Der Wert des Scheiterns

von | 16.11.2019 | Werte, Gesellschaft

Ich schaue aus dem Fenster und sehe den wolkenbehangenen Himmel. Die Bäume in unserem Garten kleiden sich in bunten Farben und der eisige Wind bringt die herabfallenden Blätter zum Tanzen. Mit einer warm dampfenden Tasse Tee in der Hand sitze ich in meinem Sessel und lasse das vergangene Jahr vor meinem inneren Auge Revue passieren.

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Scheitern ist normal

Bestimmt geht es Ihnen genauso: Neben vielen schönen Erlebnissen kommt einem die ein oder andere Niederlage in den Sinn, die man einstecken musste. Träume sind geplatzt, Projekte oder Beziehungen schiefgelaufen. In solchen Momenten zweifelt man an sich selbst und das eigene Weltbild beginnt zu wackeln.

Ich trinke einen Schluck aus meiner Tasse und frage mich dabei, warum es uns so schwer fällt mit dem Scheitern umzugehen. In Gedanken gehe ich dieser Frage auf den Grund und sogleich kommen mir zwei Einflussfaktoren in den Kopf. Der erste betrifft die Denkweise unserer Gesellschaft.

Eine Silbermedaille für Deutschland

In einer Studie von Michael Frese, Wirtschaftspsychologe der Leuphana Universität in Lüneburg, habe ich gelesen, dass es gerade uns Deutschen schwerfällt, mit Niederlagen umzugehen. Deutschland belegt in einem Vergleich mit 61 anderen Ländern zum Thema Toleranzfähigkeit gegenüber Fehlern den vorletzten Platz.

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der man überwiegend an seinen Erfolgen gemessen und für Misserfolge verurteilt wird. Diese Einstellung kann zur Folge haben, dass man gute Möglichkeiten aus Angst zu versagen gar nicht erst angeht und diese somit verloren gehen.

Mit einem Blick in meine nunmehr halbvolle Tasse denke ich über den zweiten Einflussfaktor nach. Hier wird es persönlicher, da es um meine eigenen Herangehensweisen und Denkmuster geht. Zwei grundlegende Formen des Scheiterns können hierbei unterschieden werden:

1. Scheitern als Folge von Passivität

Die erste Form betrifft Leute, die sich aus Angst zu versagen nicht aus ihrer Komfortzone herausbewegen. Sie warten auf den perfekten Moment, um ihre Träume umzusetzen, kommen aufgrund dessen aber nicht ins aktive Handeln.

Aus dieser Herangehensweise können wir nichts lernen, außer der Erkenntnis, dass es irgendwann möglicherweise zu spät ist.

Jonathan Sierck beschreibt dies in seinem Buch Junge Überflieger mit den Worten „Wer aufgrund von Zweifeln oder aus Angst nie das tut, wofür sein Herz schlägt, der ist gescheitert.

Ich möchte Sie ermutigen, Schritte aus der Komfortzone zu wagen und neue Wege zu beschreiten. Wichtig ist hierbei auch zu erkennen, dass Scheitern in sich keinen Wert besitzt. Viel entscheidender ist es, wie wir mit den gewonnenen Erkenntnissen umgehen.

2. Scheitern als aktiver Prozess

Diese Form betrifft diejenigen, die ihre Visionen aktiv angehen und neues ausprobieren. Sie betreten für ihren Traum unbekanntes Terrain, verlassen ihre Komfortzone und werden dabei immer wieder hinfallen. Kaum ein Mensch wird erzählen, dass bei ihm alles nach Plan gelaufen ist. Vielmehr sind es die ganzen Stolpersteine auf dem Weg, die zu neuen Ideen führen und innovative Perspektiven eröffnen.

Im Rahmen sogenannter FuckUp-Nights können sich beispielsweise junge Unternehmensgründer mit den alten Hasen der Branche austauschen, um aus deren Misserfolgen zu lernen. Der ein oder andere Stolperstein kann so aus dem Weg geräumt werden, bevor man darüber fällt.

Scheitern ist nicht die Kehrseite von Erfolg, sondern ein erster Schritt zum Erfolg.

Ich möchte uns ermutigen, unsere Denkweise über Niederlagen zu ändern. In vielen Köpfen ist noch das Prinzip des linearen Weges zum Erfolg vorherrschend. Die Realität lässt sich besser mit dem experimentellen Vorgehen beschreiben. Thomas Edison sagte hier einmal passend: „Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.

Nicht jede Idee wird auf Anhieb funktionieren, aber es erst gar nicht zu probieren verspielt jegliche Möglichkeit auf Erfolg.

Mit dieser positiven Grundeinstellung und einer Tasse Tee fällt es mir jetzt leichter, herausfordernde Erlebnisse des letzten Jahres zu reflektieren und persönliche „lessons learned“ daraus abzuleiten. Für das kommende Jahr möchte ich mich nicht von Ängsten einschränken lassen und bin motiviert, Herzenswünsche aktiv anzugehen.

 

Packen wir´s an!

 

 


Jonathan Lösel

Jonathan Lösel ist Vorsitzender des Deutschen Knigge-Rats und neben seiner Projektleitertätigkeit als Knigge- und Stil-Coach tätig.

Als moderner Gentleman unterstützt er Menschen dabei, ihren persönlichen Kleidungsstil zu entdecken und ihr Auftreten durch zeitgemäße Umgangsformen zu unterstreichen, sodass sie dauerhaft im Gedächtnis bleiben.

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