Apotheken – 
Orte der Hilfe und der Beratung in Gesundheitsfragen – aber auch der Diskretion und des Stils!


von | 20.09.2025 | Knigge, Gesellschaft, Kleidung, Umgangsformen, Wertschätzung

In ihrer heutigen Form gibt es sie seit dem Mittelalter. Im Jahr 1241 findet in Trier die erste Apotheke Deutschlands Erwähnung. Apotheken sind seit jeher Orte der Hilfe und der Beratung in Gesundheitsfragen. Daran scheint sich bis heute nichts geändert zu haben!
Nach einer repräsentativen FORSA-Umfrage aus dem April 2025 halten 96 Prozent der Deutschen die Apotheke vor Ort entweder für „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“. Zwei Drittel aller Erwachsenen, so die Umfrage weiter, nutzen die Apotheke vor Ort mindestens einmal pro Monat. Jede oder jeder neunte Befragte gab an, dass ihnen aufgrund des Rückgangs der Apothekenzahl bereits deutlich weitere Wege zur nächsten Apotheke entstanden sind.

 

Die Apotheke – ein Auslaufmodell ohne Zukunft?

Die Zahlen sprechen für sich, könnte man meinen. Doch gibt es auch eine Kehrseite im Bezug auf unsere Apotheken!
Eine nicht unerhebliche Zahl von Kundinnen und Kunden meidet inzwischen den Weg zur Apotheke vor Ort und glaubt fest an eine Einsparung durch den Einkauf in einer Internet-Apotheke per App.
Das birgt jedoch große Gefahren in sich. Zahlreiche Medikamente sind zwar in Versand-Apotheken erhältlich, doch in Bezug auf die Verabreichung oder die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten fehlen oftmals wirklich notwendige Informationen. Zudem machen reine Versand-Apotheken keinen Notdienst – was also tun, wenn einmal ein Notfall am Wochenende oder in der Nacht eintritt?
Diese Kundinnen oder Kunden kommen dann aber mit ihrem „günstig“ erworbenen Medikament in die nächstgelegene Apotheke und wollen sich beraten lassen – natürlich kostenlos! Damit wird jedoch die Sicherheit der Arbeitsplätze in den Vor-Ort-Apotheken untergraben.
Die Folge ist ein Apothekensterben auf Raten. Derzeit ist in Deutschland ein anhaltender Rückgang der Anzahl von Apotheken spürbar. Ein solcher Trend führt zwangsläufig zu einer schlechteren Versorgung. Zu spüren bekommen das in der Hauptsache ältere Menschen und die Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Gebieten.

 

Diskretion und Stil – bitte auch in Apotheken!

Neben beinahe allen anderen Branchen wird natürlich auch in Apotheken über Fachkräftemangel geklagt. Vielerorts wird vergeblich nach neuen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern gesucht. Auch hier sind die ländlichen Bereiche besonders betroffen. Doch was ist der Grund für den Rückgang dieser Fachkräfte?
Befragt man Fachkräfte, tritt Unschönes zutage! Immer häufiger schlägt ihnen ein rauher Umgangston entgegen. Kundinnen oder Kunden treten auf, als hätten sie Pharmazie „nach Dr. Google“ studiert und belehren die Fachkräfte mit ihrem Halbwissen. Offen wird auch die Preispolitik beklagt – die jedoch den Apotheken seitens der Politik aufgezwungen wird. Viele lassen zudem ihren Unmut aufgrund nicht verfügbarer Medikamente freien Lauf.

Apotheken

Full house: Events wie dieses von ISDIN Pharmaceuticals machen es erst richtig deutlich, dass Apotheken eine unbedingt notwenige Einrichtung mit ihrem Expertenwissen sind. Auch am Interesse der Illustrierten BUNTE zeigt sich der Stellenwert der Apotheken! Bild: Stefan Friesenegger, Marienstern Apotheke, München Solln

Das alles müssen Apothekerinnen und Apotheker Tag für Tag über sich ergehen lassen.
Einige Kundinnen oder Kunden betreten eine Apotheke nur, um sich eine „Apotheken-Umschau“ zu nehmen und ohne einem Wort des Grußes, geschweige denn eines Dankes oder einem Einkauf, wieder zu gehen. Dabei werden die kosten für dieses Magazin von der jeweiligen Apotheke getragen. Andere kommen mit Kind und Kegel in die Apotheke, führen nebenbei noch ein Telefongespräch mit dem Handy am Ohr und werfen ihr Rezept oder ihre Gesundheitskarte kommentarlos auf die Theke. Ganz nach dem Prinzip „mach doch mal!“. Kinder tollen unkontrolliert durch den Verkaufsraum und treten teilweise sogar hinter die Ladentheke. Andere lümmeln sich auf die Verkaufstheke, als stünden sie an einem Bahnhofskiosk.
Und nur all zu oft wird der vor allem in einer Apotheke so notwendige Diskretionsabstand nicht eingehalten.
Dabei muss bei der Vergabe von Medikamenten höchste Konzentration herrschen! Eine fehlerhafte Ausgabe eines Medikaments kann im schlimmsten Fall zum Tod einer Patientin oder eines Patienten führen.
Nach ihrem Feierabend sollen Apothekerinnen und Apothekern noch an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen, um damit ihre Qualifizierung aufrecht zu erhalten. Das gelingt jedoch nur, wenn sie alle drei Jahre einen Fortbildungsnachweis von 150 Punkten erreichen. Eine Fortbildung dauert etwa zwei Stunden und bringt dabei nur 3 bis 4 Punkte ein. Hier kann man sich ausrechnen, wie oft eine solche Fortbildung absolviert werden muss.

 

Apotheke – quo vadis?

Hinzu kommt die allgemeine Wahrnehmung von Apothekerinnen und Apothekern. Einige Kundinnen und Kunden gehen davon aus, dass ein Pharmaziestudium einem Medizinstudium „hinterherhinkt“. Sie degradieren unsere Pharmazeuten daher zu Fachkräften mit einem „abgebrochenen Medizinstudium“ oder einem „Medizinstudium zweiten Grades“. Dabei handelt es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Studiengänge, bei dem das Pharmaziestudium als ein naturwissenschaftlich-medizinisches Studium ein grundständiges Studium ist, das insgesamt drei Staatsexamina erfordert.
Unter diesen Gesichtspunkten kommt der einen oder anderen Fachkraft schon einmal der Gedanke, für was sie das überhaupt noch tun. Das gilt für Mitarbeiterinnen in den Ausbildungsberufen der Pharmazeutisch-technischen Assistenz (PTA) wie für die studierten Pharmazeuten gleichermassen!
Nicht verwunderlich also, dass beinahe 40 Prozent aller bundesdeutschen Apotheken an Fachkräftemangel leiden.
Nach einer aktuellen Apokix-Umfrage wurden im Jahr 2024 rund 74 Prozent PTA und 66 Prozent approbierte Apothekerinnen und Apotheker gesucht!

 

Und übrigens:

Etwa die Hälfte der befragten Fachkräfte fühlen sich von Kundinnen oder Kunden wie „einfache Verkäufer“ behandelt. Das hat sicher mehrere Gründe. Einer könnte am Kleidungsstil liegen. Noch in den 1960er oder 1970er Jahren waren Apothekerinnen und Apotheker anders gekleidet. Ein langer Rock mit Bluse oder ein Kostüm waren für weibliche Angestellte selbstverständlich. Bei den Apothekern war nicht selten ein dreiteiliger Anzug mit Krawatte oder Fliege unter dem weißen Kittel zu finden.
Heute ist das im Rahmen der allgemeinen Casualisierung sozusagen als „Marscherleichterung“ – in einigen Fällen sogar einem T-Shirt oder bestenfalls einem Hemd, das seit seiner Anschaffung kein Bügeleisen mehr gesehen hat, gewichen. Doch auch VOR der Verkaufstheke sieht das Bild nicht erfreulicher aus.
Vielleicht sollte ganz allgemein einmal wieder über eine Anhebung des Stils und der damit verbundenen Wertschätzung anderen gegenüber nachgedacht werden – VOR und HINTER der Verkaufstheke!
Kundinnen oder Kunden möchten natürlich gerne als „König“ behandelt werden. Doch dazu sollte auch ein Verhalten an den Tag gelegen werden, das als wertschätzend und angemessen empfunden werden kann.
Glücklicherweise gibt auf der Kundenseite noch immer eine merkliche Anzahl derer, die für eine gute Beratung tatsächlich sehr dankbar sind!

Aktuell gibt es in Deutschland noch etwas mehr als 17.000 Apotheken, die täglich rund drei Millionen Menschen versorgen und Leistungen wie individuelle Arzneimittel-Herstellungen, Medikationsanalysen, Beratungen zur Selbstmedikation oder Nacht- und Notdienste anbieten. In den letzten Jahren ist die Zahl allerdings kontinuierlich gesunken. Allein im Jahr 2024 haben über 500 Apotheken geschlossen. – ein Tiefststand wie seit 1978 nicht mehr! In fast allen anderen EU-Staaten ist die Apothekendichte inzwischen höher als in Deutschland.


Stefan Friesenegger

Stefan Friesenegger, Jahrgang 1962, beschäftigt sich seit über vierzig Jahren mit Armbanduhren. Als leidenschaftlicher Verehrer schöner Zeitmesser hat er die Quarzkrise und zahlreiche Entwicklungen in der Uhrenwelt hautnah miterlebt. Dieser Erfahrungsschatz intensivierte seine Liebe zu den Uhren nur noch weiter. Heute entfaltet sie sich eindrucksvoll in seinen Büchern und verschiedenen Fachmagazinen. In seinen unterhaltsamen, wie inhaltsreichen Vorträgen verknüpft der Bestsellerautor und Experte sein Fachwissen mit gelebter »Knigge-Kultur«.

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