Alltagsrassismus

von | 15.01.2022 | Ethik, Gesellschaft, Allgemein, Werte, Kommunikation

Ist es nicht faszinierend, dass jeder Mensch auf dieser Erde einen ganz individuellen Daumenabdruck besitzt, den es so kein zweites Mal gibt. Er ist einzigartig und unterschiedet sich von den anderen fast 8 Milliarden Menschen. Unterschiedlichkeit gehört auf dieser Welt zu einer selbstverständlichen Normalität. Neben individuellen Merkmalen wie dem Daumenabdruck oder der Hautfarbe ist jeder Mensch darüber hinaus mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften geschaffen.

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Die Summe dieser Merkmale trägt zur Einzigartigkeit jeder Person bei und machen das Leben erst interessant, bereichernd und zu etwas Wunderbarem und Kostbarem. Es ist aber auch normal, dass die Verschiedenheiten immer wieder befremdlich wirken können oder zu Konflikten führen können. Die Frage ist nur wie wir damit umgehen.

Eine gute Empfehlung erhalten wir in der Bibel, die die Basis unserer westlichen Ethik und moralischen Regeln ist. Dort heißt es „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Wie schwer wir uns damit aber tun, zeigt sich anhand der Art und Weise, wie wir mit unserem Gegenüber reden.

Worte haben Macht

Durch die Sprache werden Menschen alltäglich mit rassistischen Aussagen konfrontiert. Viele „harmlos“ gemeinte Formulierungen können bei der anderen Person eine Kränkung oder Mikroenttäuschung auslösen und werden als grenzüberschreitend wahrgenommen. Kommt die Botschaft, die ich sende, auch wirklich so an wie sie gemeint ist? Dabei geht es nicht darum, nichts mehr sagen zu dürfen, sondern vielmehr, dass das gesagte durch das Sieb des Respekts, der Wertschätzung und der gegenseitigen Liebe gefiltert wird.

Diesen Grundsatz müssen wir uns beim Thema des alltäglichen Rassismus immer wieder vor Augen führen und folgende Grundhaltungen kultivieren:

Dialog statt Diagnose

Entgegen der Diagnose, die eine persönliche Beurteilung einer Beobachtung darstellt, ist das Ziel beim Dialog die gemeinsame Begegnung auf Augenhöhe. Anders formuliert: Sprich nicht über, sondern mit Menschen. Wer das nicht tut, führt Selbstgespräche. Begegnung bedeutet dabei den Anderen zu sehen, ihn wahrzunehmen und in seiner Andersartigkeit zuzulassen, egal ob dies meinen Vorstellungen und Sichtweisen entspricht oder nicht. Diesen Wert des offenen und respektvollen Miteinanders müssen wir immer wieder neu entdecken und in unserer Gesellschaft tagtäglich kultivieren.

Empfehlungen
  • Haben Sie den Mut und die Bereitschaft eigene Sichtweisen zu hinterfragen.
  • Seien Sie offen für ernst gemeintes Feedback. Relativieren oder Bagatellisieren Sie nicht, d.h. spielen Sie formulierte Emotionen des Gegenübers nicht einfach mit der Aussage wie: „Zier dich nicht so, das ist doch nicht so gemeint!“ runter.

Kommunikation statt Konfrontation

Sobald wir mit anderen Menschen in Interaktion treten, ist das Kennen und Beachten der körpersprachlichen und emotionalen Distanzräume wichtig. Kommunikation lebt von Feinfühligkeit. Bei Grenzüberschreitungen reagieren wir in der Regel mit Angriff oder Flucht. Mitbürger mit anderen Wurzeln, die vielleicht schon seit mehreren Generationen in Deutschland leben und die Sprache fließend sprechen, können Fragen wie: „Wo kommen Sie her?“ – „Ich komme aus Bremen!“ – „Nein, wo kommen Sie wirklich her?“ oder „Sie sprechen aber gut Deutsch!“ als Überschreitung persönlicher Grenzen wahrnehmen, da diese Fragen zur Biografie etwas sehr Persönliches sind.

Empfehlungen
  • Möchten Sie wissen wo die ethnischen Wurzeln sind, fragen Sie konkret danach, z.B. „Wo sind die Wurzeln Ihrer Vorfahren?“
  • Erzeugen Sie mit bewährten Small Talk Themen (Sushi & Knödel, Mozart & Madonna) eine positive Gesprächsatmosphäre und meiden Sie intime oder konfliktbehaftete Themen.

Verantwortung statt Vorurteile

Verantwortung im Zusammenhang mit Alltagsrassismus hat vor allem mit der Achtsamkeit der Sprache zu tun, denn: Sprache schafft Tatsachen. Wo stoße ich anderen Menschen mit meiner Wortwahl vor den Kopf? Ein gutes Beispiel hierfür sind die heute unter Schokokuss bekannten Süßwaren. Diese hießen zuvor „Dickmanns“ bzw. „N­-kuss“. Beide Worte, können bei der jeweiligen Personengruppe ein negatives Gefühl auslösen.

Empfehlungen
  • Überlegen Sie vor dem Reden, welche Auswirkung Ihre Worte bei Ihrem Gegenüber haben können. Denn: „Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu!“
  • Bescheidenheit ist wichtig, aber legen Sie nicht jedes Wort auf die Waagschale. So wie sich Gesellschaften im Laufe der Zeit verändern, so können auch Begriffe ihre Bedeutung umkehren, ändern oder verlieren. Das Wort „Mohr“ kann je nach Kontext eine negative Konnotation haben. Beispielsweise ist er aber auch ein Familienname oder kommt bei Apotheken und Straßennamen vor. Muss jeder Begriff unabhängig des Kontextes verändert werden? Eine Aufklärung der Hintergründe bei deren Verwendung deeskaliert und verhindert Irritationen.

Abschließend ist es immer auch eine Frage der Höflichkeit und Haltung, wie wir Menschen begegnen. Wie bei jeder anderen Begegnung geht es hierbei um Wahrnehmung kombiniert mit Wertschätzung, Respekt und gegenseitiger Liebe.

Wir bedanken uns für interessante Impulse bei Frau Florence Brokowski-Shekete. Die Deutsche mit nigerianischen Wurzeln ist die erste dunkelhäutige Schulamtsdirektorin Deutschlands und sprach vor dem Gremium des Deutschen Knigge-Rats über Ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus, von denen Sie auch in Ihrem Buch „Mist, die verstehen mich ja!“ berichtet.


Jonathan Lösel

Jonathan Lösel ist neben seiner Projektleitertätigkeit als Knigge-Trainer und Personality Stylist tätig.

Als moderner Gentleman unterstützt er vorwiegend junge Menschen dabei, ihren persönlichen Kleidungsstil zu entdecken und ihr Auftreten durch zeitgemäße Umgangsformen zu unterstreichen, sodass sie dauerhaft im Gedächtnis bleiben.

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